Seite 10 von 11

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: Mo 18. Mär 2024, 15:52
von Roy Bean
Innerhalb der Bundesregierung gibt es Überlegungen, wie beim Cannabisgesetz ein Vermittlungsverfahren vermieden werden kann. Das BMJ hat nun angeregt, den Bundesländern entgegenzukommen, was das Inkrafttreten des umstrittenen Gesetzes angeht.

Wie LTO bereits berichtet hat, graut es den Landesjustizverwaltungen vor einem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (CanG) zum 1. April. Prinzipiell fordern alle 16 Landesjustizressorts einen späteren Starttermin.

Grund dafür ist vor allem eine umstrittene Amnestieregelung im CanG für Fälle, die künftig legal wären und in denen noch nicht vollstreckte Strafen entsprechend erlassen werden müssten. Die Rede ist von mehr als 100.000 Akten, die geprüft werden müssten – und zwar händisch, weil es mit der Digitalisierung in der Justiz nicht so weit her ist. In der Kürze der Zeit sei das nicht zu stemmen, heißt es seitens der Bundesländer.

SPD-CanG-Verhandlerin Carmen Wegge MdB wies die Vorwürfe der Länder im LTO-Interview am Donnerstag zurück. "Nur ein Bruchteil der Akten, in denen es um Verurteilungen nach dem Betäubungsmittelgesetz geht, betreffen Cannabis-Delikte, die wir künftig straffrei stellen", so Wegge.

Ob der Bundesrat deswegen nun am 22. März den Vermittlungsausschuss anruft, ist noch offen. Fachausschüsse der Länderkammer hatten bereits entsprechende Empfehlungen abgegeben. In der Bundesregierung sorgt man sich offenbar, wie man unter Umständen wochenlange Verhandlungen im Vermittlungsausschuss über die Freigabe von Cannabis verhindern könnte.
BMJ: "Änderungsgesetz noch in dieser Woche"

Wie nun aus Regierungskreisen bekannt wurde, hat das FDP-geführte Bundesjustizministerium (BMJ) gegenüber dem für das Vorhaben federführende Bundesgesundheitsminister angeregt, den Ländern entgegenzukommen und das Inkrafttreten der Amnestieregelung zur verschieben. Aus Sicht des BMJ ist es möglich, noch in dieser Woche ein Änderungsgesetz auf den Weg zu bringen. "In diesem könnte der Forderung der Länder nach einer Verschiebung des Inkrafttretens des Amnestiegesetzes um sechs Monate entsprochen werden. So könnte ein Vermittlungsausschuss vermieden werden", heißt es aus Regierungskreisen.

Auf Nachfrage von LTO verweist eine Sprecherin des BMJ darauf, dass man die Hinweise und Rückmeldung der Länder zu der in Art. 13 des CanG vorgesehenen Straferlassvorschrift bzw. Amnestieregelung sehr ernst nehme.
BMJ selbst hat keine konkreten Zahlen

"Dies betrifft insbesondere die Sorge der Länder vor einer Überlastung der Justiz infolge des Inkrafttretens der Amnestieregelung. Die genaue Zahl der von der Regelung betroffenen Fälle lässt sich zwar erst nach der Auswertung der Akten sicher beurteilen. Die Identifizierung und Auswertung dieser Akten sind Aufgabe der Justiz", so die Sprecherin. Eigene Zahlen der zu überprüfenden Akten lägen dem BMJ nicht vor. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte kürzlich mitgeteilt, die Bundesregierung rechne mit maximal 7.500 Prüffällen für eine Haftentlassung.

Weiter führte die Sprecherin aus, dass das BMJ unabhängig von der genauen Fallzahl das federführende Bundesgesundheitsministerium (BMG) bei der Suche nach einer konstruktiven, für die Länder tragfähigen Lösung unterstütze. "Welche Optionen hierbei gewählt werden, liegt innerhalb der Bundesregierung allerdings primär in den Händen des federführenden BMG."
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ ... rung-cang/

Seufz. Also wirklich.

Das muss man sich mal vorstellen. Sowas wichtiges wie Strafakten, die werden nicht digitalissiert und vielleicht sogar indiziert, so dass man da nach Suchbegriffen suchen kann. Wenn dem so wäre, wäre die Sache nach ner Woche gelaufen. Nee, nicht in Deutschland. Hier werden Akten noch auf Papier gemeißelt. Weil die Justiz sich beim Thema Digitalisierung denkt "ja also irgendwie schon, aber eben nicht jetzt und nicht bei uns", deswegen sollen jetzt Leute weiter der Verfolgung ausgesetzt werden. Weils noch Aktenschränke und Räume gibt. Und dann erstmal auf andere zeigen. Kannste Dir nicht ausdenken.

Na also wenn die die Frist haben wollen und sonst keiner mehr was zu meckern hat... können wir das Ding jetzt mal beschließen? Ich frag für n Freund

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: Mo 18. Mär 2024, 20:13
von lucky luke
Roy Bean hat geschrieben: Mo 18. Mär 2024, 15:52 ...

Na also wenn die die Frist haben wollen und sonst keiner mehr was zu meckern hat... können wir das Ding jetzt mal beschließen? Ich frag für n Freund
ach komm, nimms nicht so ernst.

sag deinem freund ich helf ihm das ganze gleich komplett in die tonne zu treten. immer positiv bleiben, lieber roy!

:lol:

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: Mi 20. Mär 2024, 13:58
von Roy Bean
Kluger politischer Schachzug, aber letztlich unverbindlich? Mit dem Versprechen späterer gesetzlicher Änderungen will der Gesundheitsminister beim Cannabisgesetz die Anrufung des Vermittlungsausschusses am Freitag verhindern.

In der legalisierungsfreudigen Cannabis-Community sammelt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wenige Tage vor der entscheidenden Bundesratssitzung gerade viele Punkte: In den sozialen Netzwerken, aber auch in der ARD-Talkshow "hart aber fair" brachte der einstige Legalisierungsgegner immer wieder seinen Willen zum Ausdruck, für das umstrittene Cannabisgesetz (CanG) auf der Zielgeraden zu kämpfen. Das Gesetz stehe "auf Messers Schneide". 

Es geht darum, vor allem die Bundesländer von dem Gesetz zu überzeugen, in denen Ampelparteien an der Regierung sind. Damit diese nicht für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses (VA) stimmen und das Gesetz am 1. April in Kraft treten kann. Hintergrund ist, dass drei Ausschüsse des Bundesrates mit großer Mehrheit empfohlen hatten, das CanG in einem VA nachzuverhandeln. Über ihre Empfehlungen wird am Freitag abgestimmt. Wird der VA angerufen, wäre das Schicksal der Cannabis-Teil-Legalisierung ungewiss. Lauterbach hatte daher davor gewarnt, das CanG im VA "verhungern" zu lassen.
Lauterbach redet mit SPD-Abweichlern

Um nun zweifelnde Landesministerinnen und -minister wieder auf Pro-Cannabis-Kurs zu bekommen, hat Lauterbach in den letzten Tagen eine "Protokollerklärung" im Bundesratsplenum angekündigt. In dieser will er verstärkt auf die Bedenken einiger Landesressorts eingehen, zum Beispiel auf die seiner sächsischen Parteifreundin und Landesgesundheitsministerin Petra Köpping (SPD). Diese hatte kürzlich auch gegenüber LTO klargestellt, dass sie das Gesetz in einigen Punkten für überarbeitungsbedürftig hält und daher für eine Befassung im VA plädiere.

Am Dienstag vermeldete nun Köpping plötzlich, dass Karl Lauterbach sie überzeugt habe und die SPD in Sachsen gegen die Anrufung des VA stimmen werde. "Ich habe mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gesprochen. Er hat mir versprochen, dass drei Punkte in seine Protokollerklärung im Bundesrat aufgenommen werden: die Verbesserung der Prävention, die Verringerung der Mengen und die Ausweitung des Abstands zu Kitas und Schulen. Und ich erwarte Aussagen im Hinblick auf den Vollzug des Gesetzes." Eine ähnliche Wirkung seiner Protokollerklärung erhofft sich Lauterbach auch bei anderen Landesministern.
Staatsrechtler: "Politische Alibiveranstaltung"

Unterdessen fragt man sich, ob der Bundesgesundheitsminister mal eben in einer Protokollerklärung den Ländern verbindliche Zugeständnisse machen kann, die im Zweifel auf eine unverzügliche Änderung bzw. Ergänzung eines gerade in Kraft getretenen Gesetzes abzielen. Insbesondere auch ohne Absprache mit den Koalitionsfraktionen?

"Nein, kann er nicht", antwortet Staatsrechtler Prof. Ulrich Battis. Er spricht einer solchen Erklärung jegliche juristische Verbindlichkeit ab. Es handele sich um eine "politische Alibiveranstaltung", die der Bundesgesundheitsminister damit betreibe. Die von ihm angekündigte Erklärung sei allenfalls eine politische Absichtserklärung.

So sieht es auch die Expertin für Parteienrecht Prof. Sophie Schönberger: "Tatsächlich ist eine solche Protokollerklärung allein politisch, nicht aber rechtlich verbindlich", sagt sie gegenüber LTO. "Mir ist auch nicht klar, worauf genau sie gerichtet ist. Auf eine Änderung des Gesetzes? Oder ggf. auf ein bestimmtes flankierendes Verordnungsrecht? Nur im zweiten Fall würde eine solche (politische) Erklärung überhaupt in den Zuständigkeitsbereich des Ministers fallen."
Machen die Ampelfraktionen mit?

Trotz der rechtlichen Unverbindlichkeit seiner angekündigten Protokollerklärung attestiert der Berliner Verfassungsrechtler Prof. Alexander Thiele ein politisch kluges Vorgehen: Derartige Erklärungen stellten eben ein weiteres Mittel dar, "um in strittigen Fragen zu einem politischen Kompromiss zu kommen". Sie "können insoweit auch für die zukünftige politische Debatte Wirkung entfalten, etwa indem sie den Akteuren vorgehalten werden, wenn sie den darin genannten Absichten nicht nachkommen sollten". Als reines Schauspiel, so Thiele, solle man sie daher nicht ansehen. "Ihre Wirkung ist eben politisch und hängt damit auch davon ab, wie sie von den Protagonisten in der Folge eingesetzt wird."

In der Tat stellt sich spätestens nach dem 22. März die Frage, wie Lauterbachs Versprechungen gegenüber den Ländern umgesetzt werden. Dass der Inhalt der Protokollerklärung allein in die Verordnungskompetenz des BMG fällt, darf nach aktuellem Stand bezweifelt werden.

LTO liegt der vierseitige Entwurf einer Protokollerklärung aus dem BMG vor (Stand: 18.3.). Aussagen zu einer Verringerung der Mengen oder der Ausweitung des Abstands zu Kitas und Schulen werden darin nicht getroffen. Vielmehr geht es eher um verstärkte Anstrengungen bei der Prävention und auch um mehr Kontrollen im Zusammenhang mit den geplanten Cannabis-Anbauvereinigungen. Das BMG verspricht, diese Regelungen noch vor dem 1. Juli 2024 bundesrechtlich sicher zu verankern.
FDP-Politikerin: "Werden Schlüsse erst nach Abstimmung im BR ziehen"

Dafür benötigt Lauterbach früher oder später auch den Segen seiner Kabinettskollegen. Ob diese sogleich nach Inkrafttreten das CanG dieses sogleich wieder ändern wollen?

Nicht ausgeschlossen, wie die Obfrau der FDP-Fraktion im Ausschuss für Gesundheit sowie sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Kristine Lütke, gegenüber LTO bestätigt: "Das Bundesministerium für Gesundheit bereitet in Absprache mit den anderen Ressorts und den Fraktionen eine Protokollerklärung vor, die beispielsweise die Verbesserung der Prävention und den Vollzug des Gesetzes präzisieren wird. Nach der Abstimmung im Bundesrat werden wir beraten, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind."

Auf LTO-Anfrage wollte das BMG keinen Kommentar zur beabsichtigten Protokollerklärung abgeben. Diese befinde sich noch in Abstimmung.
https://www.lto.de/recht/hintergruende/ ... ausschuss/

es bleibt spannend

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: Mi 20. Mär 2024, 14:04
von Roy Bean
lucky luke hat geschrieben: Mo 18. Mär 2024, 20:13
Roy Bean hat geschrieben: Mo 18. Mär 2024, 15:52 ...

Na also wenn die die Frist haben wollen und sonst keiner mehr was zu meckern hat... können wir das Ding jetzt mal beschließen? Ich frag für n Freund
ach komm, nimms nicht so ernst.

sag deinem freund ich helf ihm das ganze gleich komplett in die tonne zu treten. immer positiv bleiben, lieber roy!

:lol:
Nene, so schnell geht das nicht... zuende is erst wenn die dicke Frau gesungen hat :lol: :lol:

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: Fr 22. Mär 2024, 12:05
von blood-shot-red
Whoop whoop - no more shrugs cause of police :mrgreen:

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: Fr 22. Mär 2024, 12:23
von Roy Bean
HA! Ich hatte Recht :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:

Echt, das ich das noch erleben darf! Was für eine Achterbahnfahrt!

YESSSS

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: Fr 22. Mär 2024, 12:43
von blood-shot-red
HA! ich hatte unrecht!

Hatte bis zum Ende ein schlechtes Gefühl :roll:

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: So 24. Mär 2024, 10:08
von lucky luke
blood-shot-red hat geschrieben: Fr 22. Mär 2024, 12:43 HA! ich hatte unrecht!

Hatte bis zum Ende ein schlechtes Gefühl :roll:
:lol: ist noch nicht so wirklich sicher....

CDU fordert Bundespräsident zum Stopp von Cannabisgesetz auf


Merz würde Legalisierung von Cannabis bei Wahlsieg rückgängig machen.


never give up fighting! so muss das! :mrgreen:

neue kämpfer braucht das land! dass ihr mir ja alle richtig wählen geht nächstes mal! :oops:

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: Mi 24. Apr 2024, 16:12
von Roy Bean
Hier geht es jetzt um die "nicht geringe Menge" als besonders schwerer Verstoß und was der BGH dazu sagt:
Der BGH stellt sich in Sachen Cannabis gegen den Gesetzgeber und setzt die nicht geringe Menge wie seit 1984 bei 7,5g THC an. Konstantin Grubwinkler hat die Entscheidung analysiert und bezweifelt, dass sie verfassungskonform ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Montag einen Beschluss zum neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) gefasst, der zu Recht für viel Wirbel gesorgt hat. Es geht um die Frage, ab wann auch unter den seit 1. April liberalisierten Bedingungen für Konsumenten der Gesetzgeber von einer nicht geringen Menge auszugehen ist, die zur Strafverschärfung führt, wenn gegen das neue Gesetz verstoßen wird.

Der Erste Strafsenat des BGH hat sich nunmehr für die strengste und prohibitivste Auslegung des Begriffes der nicht geringen Menge entschieden. Danach bleibt Grenzwert wie nach der alten Cannabis-Rechtslage auf Grundlage des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) bei strengen 7,5g Tetrahydrocannabinol (THC). THC gilt als die psychoaktive Substanz des Hanfs und macht den Hauptteil der berauschenden Wirkung aus.

§ 34 Abs.1 KCanG sieht für den einfachen Verstoß gegen das KCanG Geldstrafe oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor, also zum Beispiel für Überschreitung der Grenze zur strafbaren Besitzmenge von 60g Cannabis aus Eigenanbau. § 34 Abs.3 Nr. 4 KCanG normiert das Regelbeispiel für den besonders schweren Fall, wenn sich die Tat auf eine nicht geringe Menge bezieht. Der Strafrahmen beträgt dann Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Uneinheitliche Rechtsprechung

Wie schon im BtMG, definiert auch das neue KCanG die nicht geringe Menge nicht. Die konkrete Festlegung ist bewusst der Rechtsentwicklung, den Gerichten überlassen. Und bei diesen gibt es seit dem 1. April keine einheitliche Linie: 20g aber auch 50, 75 oder 100g THC wurden bereits vertreten – und jetzt eben 7,5g.

Die Auffassung des BGH überrascht insofern, als die Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf hinweist, dass die nicht geringe Menge im KCanG auf Grund geänderter Risikobewertung deutlich höher liegen müsse als bisher. Mit dem Festalten an 7,5g überschreitet der Erste Senat die Grenzen der Auslegung und stellt sich klar gegen den eindeutig formulierten Willen des Gesetzgebers. Und zwar mit Ansage: Im Beschluss selbst wird bemerkt, dass die Gesetzesbegründung an sich nicht bindend sei.

Diese Auffassung kann man so nicht stehen lassen: Der rechtsprechenden Gewalt ist es verboten, die Voraussetzungen einer Bestrafung gegen den Willen des Gesetzgebers festzulegen. Andernfalls liegt ein Verstoß gegen den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, den strengen Gesetzesvorbehalt in Art. 103 II GG, vor.
Systematischer Fehler des BGH

Verfährt man wie der BGH und nimmt den alten THC-Grenzwert zum Maßstab, ist nach neuem Recht der Abstand zwischen der Schwelle der Strafbarkeit und besonders schwerem Fall kaum mehr existent. Nach dem KCanG beginnt die Strafbarkeit ab einem Besitz von mehr als 60g Cannabis.

Legt man dem Marihuana einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt zugrunde, wäre die nicht geringe Menge von 7,5g THC allerdings schon bei 60,1g in der Regel erreicht. Der Grundtatbestand "Normalmenge" wäre allenfalls dann einschlägig, wenn die strafbare Besitzmenge nur geringfügig überschritten und zusätzlich der Wirkstoffgehalt unterdurchschnittlich wäre. Damit verkommt der besonders schwere Fall zum Hauptanwendungsfall. Der Grundtatbestand des Besitzes erfasst dann lediglich deutlich unterdurchschnittliche Fälle.

Der Erste Strafsenat begeht diesen systematischen Fehler sehenden Auges: Vorgaben hinsichtlich eines zu wahrenden Abstands zu den erlaubten Besitzmengen ergäben sich aus den Regelungen des KCanG nicht, heißt es im Beschluss. Auch das ist falsch: Ein besonders schwerer Fall muss sich aber schon dem Wortlaut nach vom Durchschnitt der Fälle so sehr abheben, dass ein Ausnahmestrafrahmen geboten ist. Der zu wahrende Abstand ergibt sich schon aus dem Wortlaut "in besonders schweren Fällen".
Von Unkenntnis geprägter Beschluss

Haarsträubend ist die BGH-Entscheidung auch deshalb, weil der Senat sogar explizit darauf hinweist, dass er die nicht geringe Menge so niedrig ansetzt, dass auch geringfügige Überschreitungen der legalen Menge, die nicht geringe Menge erreichen können: "Zwar ist denkbar, dass auch der Besitz einer die Strafbarkeitsschwelle nur geringfügig überschreitenden Menge Cannabis – also geringfügig mehr als 50g – das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG verwirklicht."

Mit dieser Bemerkung dokumentiert der Senat eindrucksvoll seine Unkenntnis: Denn die Strafbarkeitsschwelle nach neuem Recht liegt bei 60g und nicht - wie im Beschluss genannt - bei 50g. Und wo zwischen Grundtatbestand Besitz von mehr als 60g Cannabis und dem besonders schweren Fall 7,5g THC noch Platz für die geringe Menge zum Eigenverbrauch nach § 35a KCanG bleiben soll, lässt der Senat komplett offen.
Nicht geringe Menge zu niedrig

Bei der Bestimmung der nicht geringen Menge THC übernimmt der Erste Strafsenat die Herleitung für das BtMG aus dem Jahr 1984. Sie bezieht sich auf die Wirkstoffmenge einer durchschnittlichen Konsumeinheit. Diese Menge wird dann mit einer Zahl multipliziert, die von der Gefährlichkeit der Substanz abhängt. 1984 nahm der BGH dafür eine Konsumeinheit mit 0,015g THC mal 500 an, mithin 7,5g THC.

Der erste Senat unterstellt, dem KCanG liege die Annahme zugrunde, es handele sich bei Cannabis um ein gefährliches Suchtmittel. Woher diese Behauptung stammt, bleibt offen. Die Gesetzesbegründung enthält zumindest keinen Hinweis darauf. Zugleich bemängelt der senat, dass der gesetzgeber der Rechtsprechung keine konkreten Vorgaben gemacht hat. Offenbar hätte er sich eine Zahl gewünscht, auf deren Basis die nicht geringe Menge berechnet werden kann.

Unterdessen ist die nicht geringe Menge im KCanG laut der Gesetzesbegründung von der Rechtsprechung auf Grund geänderter Risikobewertung zu entwickeln. Die 40 Jahre alte Formel 15mg Konsumeinheit x 500 ist jedenfalls in dieser Form nicht mehr ungeprüft hinzunehmen. Deshalb wird vielfach bereits vertreten, die nicht geringe Menge anhand eines Vielfachen der gesetzlich erlaubten Menge Cannabis zu bestimmen, ohne auf den Wirkstoff THC abzustellen.

Die Ampel macht in ihrer Gesetzesbegründung deutlich, dass Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten vor den spezifischen Risiken des Schwarzmarktes geschützt werden sollen. Ausdrücklich wird von ihnen ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Cannabis erwartet, das durch privaten Eigenanbau erlangt wird. Eine nicht geringe Menge von gerade einmal 7,5g THC läuft auch diesem Zweck des Gesetzes zuwider. Der gewöhnliche Ertrag der drei erlaubten Pflanzen liegt schon über 60g. Ausgehend von besonders schwerem Fall bei 7,5g THC liegt jede Person, die die Menge beim privaten Eigenanbau falsch einschätzt und am Ende über 60g liegt, nicht nur in der Strafbarkeit, sondern direkt im besonders schweren Fall.
Korrigiert ein anderer BGH-Senat?

Wie geht es nach diesem fatalen BGH-Beschluss nun weiter? Nicht alle Instanzgerichte, die sich in den letzten Tagen mit 50g oder 75g THC als nicht geringer Menge positioniert haben, werden wohl ihre Ansicht auf 7,5g korrigieren.

Allerdings dürfte es auch nur eine Frage der Zeit sein, bis ein anderer Senat des BGH zur selben Thematik den großen Senat für Strafsachen anrufen wird. Und dann bleibt nur zu hoffen, dass sich die Gerichte an den Ausspruch des BVerfG aus dem Cannabis-Beschluss von 1994 erinnern: "Sollte diese Auslegung im Blick auf die angedrohte Mindeststrafe mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar sein, ist kein Strafgericht gehindert, die Vorschrift verfassungskonform auszulegen und anzuwenden."

Verfassungskonform ausgelegt hat jedenfalls der Erste Strafsenat des BGH das KCanG mit seinem Beschluss vom 18. April nicht.

Autor Konstantin Grubwinkler ist Fachanwalt für Strafrecht und bundesweit gefragter Spezialist für Betäubungsmittelstrafrecht und das neue Konsumcannabisgesetz.
https://www.lto.de/recht/hintergruende/ ... ubwinkler/

Re: aktueller Stand des Verfahrens

Verfasst: Mi 24. Apr 2024, 19:30
von lucky luke
:lol:
kommt mir vor ne horrorgeschichte von poe.

jedesmal wenn sich was bewegt kommt das pendel des todes ein bischen tiefer...